Seit einiger Zeit bin ich mit neuen Einsichten in die Schreibszene gesegnet. Wie es eben so ist im Leben, lernt man neue Leute kennen, man tauscht sich aus, bekommt Tipps und Erfahrungen geschildert, denkt sich irgendwann: Yay, das probiere ich auch! … Und es klappt sowas von überhaupt nicht. Har.
Das kann natürlich frustrierend sein, besonders dann, wenn man etwas völlig Neues ausprobieren oder sich aneignen möchte. Aber letztlich sind wir alle unterschiedliche Individuen, und Ratschläge, die bei dem einen wunderbar fruchten, können andere in absoluter Unfähigkeit verzweifeln lassen, weil es für sie einfach der falsche Weg ist.
Beim Schreiben beispielsweise gibt es zwei sehr gegensätzliche Ansätze, um Geschichten entstehen zu lassen: Diejenigen, die eine Geschichte mit allen Charakteren, Wendungen und Hintergrundinformationen erst entwerfen und dann niederschreiben (nennen wir sie die “Planer”) und diejenigen, die sich voller Euphorie ins Chaos des Schreibens stürzen, ohne irgendwas im Voraus geplottet zu haben (die “Macher”). Das sind natürlich zwei Extreme, und die meisten Leute arbeiten mit einem eigenen Mix der beiden – sie existieren jedoch durchaus auch in ihrer Urform.
Interessanterweise variiert mein Mix je nachdem, was ich schreibe. Meine Kurzgeschichten, die sich großteils zwischen 1.000 und 4.000 Wörtern eingependelt haben, wurden oft akribisch im Voraus geplant, alles ab dieser Länge fällt mir dagegen schwer, vorab zu skizzieren. Im Normalfall gibt es für mich beim Beginn des Schreibens nur vage Anhaltspunkte – meistens das Ende (worauf man hinauswill, sollte man immer wissen) und ein bis zwei Charaktere. Beim Rest vertraue ich auf die Eigenständigkeit meiner Figuren, erst mit ihrem Wachsen und Wirken entsteht allmählich ein Konzept.
Zu Beginn eines Romans weiß ich also selten, was im mittleren Drittel geschieht, aber bis ich dort bin, habe ich dann schon eine Vorstellung davon, was im letzten Drittel vor sich gehen sollte. Das mag für viele chaotisch und unprofessionell klingen, doch es hat sich für mich bisher als beste Vorgehensweise entpuppt. Da man sich Neuem allerdings nie verschließen sollte, wollte ich dem Ratschlag eines Kollegen folgen, der da lautete: 1) Entwirf deine Welt. 2) Bevölkere sie. 3) Denk dir eine Handlung aus. 4) Schreib.
Wie manche von euch vielleicht mitbekommen haben, gab es diesen Sommer drei große Projekte für mich. Mit dem Fertigschreiben von Flammen des Sommers stand ich also vor Projekt Nummer zwei, einer etwas längeren Geschichte, zu der ich bereits die Welt, die Charaktere und ein vorgegebenes Ende hatte. Perfekte Bedingungen, um die neue Arbeitsweise zu testen!
Da saß ich also, starrte abwechselnd auf mein leeres Whiteboard und den blinkenden Cursor auf der leeren Manuskriptseite … und starrte vergebens. Tagelang habe ich mein Hirn gemartert, versucht, eine Geschichte zu entwerfen – umsonst. Dabei hatte ich doch schon alles vorgegeben, nur die Handlung fehlte … Nichts. Kein Zweck. Keine Muse küsste mich, keine Eingebung sprang mich heimtückisch von hinten an … und allmählich begann die Zeit, zu ticken. Meinem Schreibplan war ich zwei Wochen voraus gewesen, das hatte sich erledigt. Wörter mussten her, und zwar schnell!
Ihr könnt euch denken, was dann passiert ist. Pfeif auf den Plan, drauflos geschrieben und schon flutschte es. Altbewährtes ist doch am Besten. Das heißt, so lange man nicht auf das Ergebnis des Neuen angewiesen ist. Denn mittlerweile ist Projekt Nummer zwei beendet und ich stehe vor der Herausforderung von Nummer drei: dem Schreiben eines Exposés. Um es deutlich auszudrücken: Ich brauche jetzt nicht nur ein Konzept aus wirren Gedankenschnipseln, sondern eine strukturierte Inhaltsangabe. Hübsch gegliedert und übersichtlich. Und das ausgerechnet für den zweiten Teil von Darwin’s Failure, für den man nicht einmal einen Helden definieren kann. Klasse.
Somit sende ich euch heute Grüße aus den Tiefen meiner Papierstapel und hoffe, dass ich mich irgendwann fertig durchgewühlt habe – zumindest zum Abgabetermin sollte ich wieder daraus auftauchen.