Der Mensch ist ein Augentier. Und, zumindest was seinen ersten Eindruck betrifft, ein Analphabet. Bild wird vor Text im Hirn aufgenommen, und bekannte Wörter werden überhaupt geistig als Wortbild abgespeichert.
Das ist übrigens auch der Grund, weshalb diese lustigen Spiele funktionieren, bei denen nur der erste und letzte Buchstabe an der richtigen Stelle des Wortes stehen und der Rest ein Wirrwarr ist, und man es trotzdem lesen kann.
Was das Ganze für Schreiberlinge wie mich (und eigentlich jeden, der sich schriftlich auf welche Art und über welches Medium auch immer präsentieren möchte) bedeutet ist klar: Die Gestaltung des Geschriebenen beeinflusst unbewusst, wie dieses aufgenommen wird.
Wer meine Manuskripte kennt, weiß, dass ich schon länger mit Formaten und Schriften herumexperimentiere. Zufrieden war ich bisher noch nie so 100%, aber dann hätte das Leben ja eine Herausforderung weniger zu bieten. Hier also mein bisheriges Ergebnis:
Von Zeilen und Umbrüchen
Niemand, und wirklich absolut niemand, liest gerne und mit Freuden elendslange Würste, die hoch wie breit sind und keinen Rettungsanker für das Auge bieten.
Also Punkt Nummer 1: Absätze machen, und zwar an passenden Stellen!
Gleich gefolgt von Punkt Nummer 2: Die erste Zeile einrücken, damit man den Absatz auch auf der anderen Seite leicht findet.
Sieht doch gleich ganz anders aus. Damit das Ganze noch Form bekommt, verpassen wir ihm einen Blocksatz (letzte Zeile linksbündig). Dies gilt allerdings nur für Texte mit mehr als 45 Zeichen pro Zeile, da sonst zu viele Lücken entstehen!
Womit wir bei Punkt Nummer 4 wären: Der Zeilenlänge. Diese sollte für einen Lesetext in Buchform (idealerweise aber auch bei A4!) zwischen 55 und 65 Zeichen (inkl. Leerzeichen) liegen. Abzählen, Ausmessen, wie auch immer — und die Ränder entsprechend einstellen oder mehrere Spalten verwenden (letzteres ist bei Prosatexten eher zu vermeiden).
Bei zu langen Zeilen verliert das Auge leicht die Zeile, was das Lesen anstrengend macht!
Schriftarten
Was banal klingen mag, ist eigentlich oft eines der Hauptprobleme: Die Wahl der richtigen Schriftart. Sie beeinflusst nicht nur, ob man den Text nüchtern, spannend, einfühlend oder beängstigend auffasst. Eine schlecht gewählte Schrift ermüdet den Leser, egal wie großartig der eigentliche Text ist!
Grob gesagt unterscheidet man zwischen Serifenschriften (die mit den kleinen Füßchen oben und unten, die quasi eine Leselinie bilden) und serifenlose Schriften. Letztere sollten nur für Web, Überschriften und sachliche Texte genutzt werden, einen Prosatext töten sie fast unweigerlich. Abgesehen davon, wurde die Leselinie der Serifen ja zu einem nicht unüberlegten Zweck geschaffen — sie erleichtern das Lesen!
Mischen sollte man bestenfalls nur zwei Schriften: Eine serifenlose für Titel und eventuell Beschreibungen und eine mit Serifen für den Text.
Soweit gekommen, kann man sich jetzt in die Auswahl stürzen. Hier geht es wohl viel um Geschmack, obwohl auch hier natürlich die Wirkung und Lesbarkeit im Vordergrund stehen. Am besten einfach mal ein größeres Stück Text mit mehreren Schriften durchtesten, dabei auch besonders auf Umlaute, Textauszeichnungen (kursiv) und Schnörksel achten.
Die gängigsten Schriften (und Kritiken von mir):
- Times (New Roman) — Allerweltsschrift. Funktioniert gut, ist aber ein wenig schmal, vor allem im Kursiven.
- Garamond — Hiervon gibt es unzählige Schriftschnitte, aber auch sie ist recht schmal und hoch. Angeblich wird sie sehr häufig verwendet, mir ist sie noch nicht in einem Buch untergekommen.
- Palatino Linotype — Grundsätzlich eine sehr schöne Schrift, allerdings ist sie kursiv sehr schnörkelig und dadurch leider nicht so gut lesbar.
- Book Antiqua — Sehr rund, aber kursiv sehr schmal. Hier war mir der Kontrast der beiden einfach zu groß.
- Minion — Ähnlich wie Garamond, nur nicht so bekannt.
- Perpetua — Meine momentane Schrift. Noch keine Negativpunkte gefunden, auch im Kursiven sehr schön klar und homogen.
Die Schriftgröße sollte, abhängig vom Format und Schrifttyp, für auf Erwachsene abzielende Texte 10-12 pt betragen. Fußnoten liegen bei 6-8 pt, während Texte für Kinder eher bei 14 pt oder mehr (je nach Alter) angesetzt werden sollten.
Abstände – Nihil privativum
Ebenso wichtig wie das, was auf dem Papier steht, ist das, was nicht dort steht. Leerräume helfen dem Leser, Wörter und Absätze zu sehen, auseinander Gehörendes optisch voneinander zu trennen und Geschriebenes zu verstehen.
Zwischen den Wörtern sollten keine zu großen Lücken (durch den Blocksatz und/oder keine Silbentrennung) entstehen. Wenn man schräg auf das Blatt sieht, sollte die Schrift einen einheitlichen Grauwert haben ohne zu dunkle (enge) oder helle (weite) Stellen. In Layoutprogrammen wie InDesign kann dieser Abstand zusätzlich optimiert werden.
Zwischen den Zeilen wird standardmäßig mit 120% gerechnet, also 12 pt Zeilenabstand für eine 10 pt Schrift. Besonders lange, schwer verständliche oder klein gedruckte Texte brauchen mehr Zeilenabstand.
Zwischen den Seiten wird gerne darauf vergessen. Der weiße Rand umfasst den Text und hält ihn zusammen — auch bei den beiden aufgeschlagenen Seiten eines Buches. Daher sollte der innen liegende Weißteil halb so schmal sein wie der äußere (da er vom Auge zusammengezählt wird). Ebenso sollte der untere Teil breiter sein als der obere, da hier noch Seitenzahlen und ähnliches hinzugefügt werden und der Weißteil auch das Halten des Buches erlaubt, ohne Zeilen zu verdecken.
Zu guter Letzt
Ein Wort zum Schluss. Diese Tipps beziehen sich auf das Formatieren von Endfassungen, sprich zum Drucken, Herzeigen, Herschenken … Zum Senden an einen Verlag wird meist die Formatierung nach einer sogenannten Normseite verlangt, entweder nach vom Verlag angegebenen Einstellungen oder einem gewissen Standard.
Tipps dazu gibt es das nächste Mal!