Schreiben in Maßen und Massen

Oft genug liest man den Ratschlag für junge Schreiberlinge, täglich zu schreiben, ein paar Seiten mindestens. Der Inhalt wäre nicht so wichtig, Hauptsache, man übt sein Hirn im produktiven Denken. Neurologisch betrachtet mag das stimmen, eine Handlung erschafft neue Verbindungen und jede Wiederholung davon stärkt sie.

Das geht sogar recht schnell: Je nach Hirnareal, das trainiert wird, genügen schon 120 Minuten, um den betroffenen Bereich anwachsen zu lassen. Aber sobald man das Training vernachlässigt, beginnt der Effekt auch schon wieder zu verblassen. Wiederholung ist also der Schlüssel zu effizientem Üben.

Lernkurve

Lange Zeit hat mich dieses tägliche Schreibtraining extrem eingeschüchtert. Ich war nie ein Vielschreiber, als ich noch ausschließlich Kurzgeschichten geschrieben habe lag meine Produktivität meist bei ein bis drei Geschichten pro Jahr. Und auch jetzt vergehen oft Monate (besonders im Winter), in denen ich ein Manuskript nicht einmal anschaue. Ja, Schande über mich, aber so ist es nun einmal. Ich bringe kein einziges Wort zu Papier bzw. in die Tasten.

Manchmal kann man solche Phasen abfangen, in anderen Fällen bleibt nur übrig, abzuwarten bis der nächste Rappel kommt. Sobald er an die Tür klopft, reißt man sie auf, lässt ihn herein und hockt sich auf seine vier Buchstaben. Wenn es zu normalen Schreibzeiten schon mühsam ist, eine einzelne Szene zu schreiben, fließen sie unter Rappel-Einfluss nur so heraus. Meistens bereut man das zwar in der Korrekturphase, aber für das Schreiben an sich ist es einfach nur klasse.

Ich freue mich, zu gestehen, dass der Rappel mich gerade wieder einmal schwer im Griff hat. Zeitlich ein wenig unpassend, aber man nimmt, was man bekommt. Also die bisherigen Manuskriptseiten überarbeitet, eifrige Diskussionsrunden mit Testlesern angezettelt und neue Hilfsmittel ausprobiert: ein neues Whiteboard an der Wand und ein tragbares Schreibgerät für variablen Einsatz. Es lebe die Inspiration!

Langer Rede kurzer Sinn:
Nummer eins: Lasst euch nicht von Schreibkollegen frusten, die mehr tippseln und krixeln als ihr. Jeder hat sein eigenes Tempo und viele Wege führen ans Ziel.
Nummer zwei: Der zweite Teil von Herz des Winters wächst und gedeiht! Yay! Mehr dazu bald.