Eine der häufigsten Fragen, die vermutlich jeder Schreiberling gestellt bekommt, ist die: “Wo nimmst du nur deine Ideen her?” Interessanterweise fragen das sogar Leute, die selbst schreiben oder es gerne tun würden.
Leider gibt es keine bunte Geschichtenwiese, auf die man gehen und sich ein Blümchen pflücken kann, das dann automatisch zu einem Bestseller heranwächst. Aber das bedeutet noch lange nicht, dass man der Muse nicht ein wenig auf die Sprünge helfen kann, wenn sie einen verschmäht.
Für den Fall, dass sie unvermittelt auftaucht, habe ich aber mittlerweile immer Stift und Zettel beim Bett liegen. Abends, wenn das Licht aus ist, oder nachts, wenn man aus wirren Träumen aufwacht, kommen oft gute Ideen, die leider nicht bis zum Morgen durchhalten, wenn man sie nicht aufschreibt. Selbst wenn es nur einzelne Wörter oder Sätze sind, werden sie akribisch notiert — mittlerweile kenne ich mein Gedächtnis leider zu gut.
Die merkwürdige Logik, die in Träumen herrscht, lässt sich einfach nicht so gut erfinden, wie man sie erlebt. Alles kann verwertet werden, aussortieren kann man immer noch!
Wie ich schon bei Über das Schreiben erzählt habe, ist bei mir Musik eine große Inspirationsquelle. Wenn sich also keine Idee einstellen will, wird erst einmal im Hintergrund thematisch passende Musik eingeworfen. Irgendwann gibt es sicher etwas, das einem ein gewisses Gefühl vermittelt, über das man schreiben möchte. Oder etwas, das die Neugier weckt: Was wäre, wenn? Wie kommt es, dass? Was passiert danach?
Man kann einzelne Zeilen nehmen, sie untereinander mixen, und niemand kommt je dahinter! Die absolut genialste Art, zu klauen. Bisher sind bei mir sechs bis sieben Geschichten auf diese Weise entstanden, und niemand hat’s gemerkt.
Wenn man das grobe Thema schon hat, hilft oft einfach die gute, altmodische Recherche. Aktuell habe ich beispielsweise zum Thema Halloween eine Geschichte geschrieben, die auf diese Art entstanden ist. Dabei habe ich mich zuerst mit Halloween an sich beschäftigt und dabei nach Aspekten gesucht, die nicht unbedingt jeder kennt. Ich wollte meine Geschichte auf Traditionen und Aberglauben aufbauen, die nicht keltisch, aber auch nicht hochmodern sind.
Überraschenderweise bin ich dabei auf unzählige Liebeszauber gestoßen — die man ja zumindest in unseren Regionen nicht unbedingt mit der Nacht der Toten verbindet.
Es ist also eine sehr forciernde Methode, an Inspiration zu kommen, aber sie kann zu unerwarteten und spannenden Ergebnissen führen.
Zu guter Letzt: Nicht von Details aufhalten lassen! Wenn noch nicht ganz klar ist, wie Person A von X nach Y kommt, um dort Person B zu treffen — egal. Hauptsache, das Grundgerüst steht, man weiß, wo man hin will mit der Geschichte und was sie im Endeffekt aussagen soll. Alles andere ergibt sich meistens beim Schreiben (was nicht heißt, dass bei mir noch nie ein Grundgerüst noch während des Arbeitens umgebaut wurde).
Die Charaktere machen plötzlich etwas, was so gar nicht vorgesehen war? Lasst sie. Die Protagonisten sind lebendig, sie haben ihre eigene Persönlichkeit und Ziele. Das ist, was ihren Reiz ausmacht. Und je mehr Freiheiten man ihnen lässt, desto natürlicher wirkt ihr Verhalten. Am Ende des Wegs merkt man oft, dass man selbst und die beteiligten Figuren eigentlich dem selben Punkt zustreben.
Wohlgemerkt, ich plädiere nicht dafür, dass man sich hinsetzt und einfach vor sich hin schreibt, ohne sich vorher Gedanken zu machen. Das kann natürlich für manche funktionieren, aber die meisten müssen einfach die goldene Mitte zwischen Ordnung und Chaos, zwischen Plan und Zufall finden. Ich habe schon ganze Tagesabläufe vorab aufgezeichnet, um nicht durcheinander zu kommen, was gerade bei längeren oder sehr sprunghaften Geschichten leicht passiert. Für Darwin’s Failure gibt es sogar einen Charakterplan mit allen körperlichen und gefühlsmäßigen Merkmalen sowie allen wichtigen Ereignissen, die diese Person betreffen.
In vielen anderen Fällen gibt es keinerlei Notizen – man muss einfach wissen, wann man beim Jonglieren im Kopf an die eigenen Grenzen stößt.