Eine Woche. So viel Zeit hatte ich mir für das Exposé von “Noras Welten 3” eingeplant. Mehr als vier sind es geworden, in denen ich intensiv und fast ausschließlich an dem Plan für den Abschlussband der Reihe gearbeitet habe. Es hat gute Gründe, weshalb ich mich dabei dermaßen verschätzt habe – und weshalb ich trotzdem froh bin, es genau so und nicht anders gemacht zu haben.
Meine Erwartungen
Beginnen wir damit, wie ich normalerweise ein Exposé schreibe: Ich mache mir einen groben Plan, was passieren soll, und welche Figuren dabei geeignet wären, spannende Konflikte heraufzubeschwören.
Beispiel “Zweite Heimat”: Der grobe Plan: “Die ersten Siedler kommen auf den Mars und werden dort von Aliens begrüßt.”
Ich hatte mir drei Charaktere mit unterschiedlichen Ansätzen für die Crew überlegt (Lajunen, Harris und Denaux) sowie zwei für die Gegenseite (Kt’Arra und Sr’Tekoi) und einen “Erdhandlungsstrang”. Diese Figuren klopfe ich in eine Excel-Matrix, die im Endeffekt eines abklärt: Was passiert (Zeilen), und wer reagiert darauf wie (Spalten). Daraus ergibt sich dann im Allgemeinen bereits die nächste Aktion (und Zeile).
So lässt sich sehr schnell und einfach eine figurenmotivierte Geschichte zusammenstoppeln – ein paar Tage, dann steht das Expo. Den ganzen Rest – die Details der Geschichte, wann ich welche Informationen einbauen will – überlege ich im Normalfall erst, während ich den eigentlichen Text schreibe.
Was tatsächlich geschah
So, jetzt kommen wir zu dem Kern des Problems. Genauer gesagt sind es zwei, und sie heißen “Durch den Nimbus” und “Weltenbruch”. In diesen beiden Bänden habe ich sehr sehr viele Geheimnisse und Komplikationen eingebaut, von denen ich bei vielen noch nicht wusste, wie ich sie wieder auflösen soll. Aber der dritte Band der Reihe sollte die natürlich alle zu einem zufriedenstellenden Abschluss bringen. Nicht nur das: Nebenbei sollte das Buch natürlich auch noch eine spannende und in sich schlüssige Geschichte erzählen.
Was ich also gemacht habe, ist:
- mir alle offenen Punkte notiert
- mir Antworten zu jedem Punkt überlegt (und mich gefreut, wenn sie zusammengepasst haben)
- lange und verzweifelt versucht, das mit der Geschichte, die ich erzählen wollte, in Einklang zubringen
Im Nachhinein klingt das sehr einfach. Tatsache war jedoch, dass jedes Mal, wenn ich irgendwo ein Schräubchen zurechtgedreht habe, das komplette Gerüst an fünf anderen Stellen auseinandergefallen ist. Denn die notwendige Reihenfolge der Infovergabe (damit man B machen kann, muss eben erst mal A passiert sein) hätte eine Geschichte erfordert, die in etwa so abgelaufen wäre:
Sie reden. Sie reden. Sie reden noch ein bisschen. Bumm! Bäng! Sachen explodieren! Sie reden.
Ziemlich langweilig, oder? Naja. Ich dachte, ich kann ja trotzdem ein Expo daraus machen, immerhin besteht das im Normalfall ja nur aus drei Normseiten (das finale Exposé hat jetzt etwa 700 Wörter). Das muss ja nicht so genau sein.
Allerdings hat sich beim Expo-Schreiben herausgestellt, dass das Ende in etwa so lautet:
Und dann stellen sie fest, dass das eigentlich eh nicht schlimm ist, weil sie schon von Seite 5 an eine viel bessere Option parat haben. Tadaa!
Uffz. Drama sieht anders aus. Deshalb wollte ich das Ende nochmal angreifen. Nur das Ende!
Stattdessen kam mein guter/böser Geist (aka Mann) an und erklärte mir: “Der Anfang ist total kacke.” Also habe ich zähneknirschend den Anfang geändert. Dann hat aber die Mitte nicht mehr gepasst. Also dort geändert. Dann hat aber der Anfang nicht mehr gepasst (ihr erinnert euch: A müsste vor B passieren). Und so weiter. Verzweiflung, weinen, zwischendurch andere Projekte abhaken, damit man das Gefühl hat, wenigstens irgendetwas auf die Reihe zu kriegen.
Und dann, ganz plötzlich, löst sich ein Knopf. Aus “Ich will aber, dass am Ende noch X passiert, aber ich weiß nicht, wie!” wurde “Hey, wenn da in der Mitte M und N …” und “Genau, am Schluss noch Y … und Z! JA!”
Und so, liebe Leute, fühlt sich Begeisterung an. Wenn die Puzzleteilchen nach wochenlangem Herumprobieren plötzlich wie von selbst an Ort und Stelle flutschen, alles ein rundes Bild ergibt und dabei noch alle Punkte bedacht sind – dann weiß man, dass es ein gutes Buch werden wird. Auch wenn es mich die vierfache Zeit gekostet hat, es zu plotten.
In nackten Zahlen heißt das: Ich habe jetzt einen Szenenplan, der 65.000 Anschläge (ca. 15.000 Wörter) zählt. Zum Vergleich: Die finale Fassung von “Durch den Nimbus” hat in etwa 500.000 Anschläge bzw. 80.000 Wörter.
Warum ich trotzdem froh bin
Erinnert ihr euch an den Beitrag, in dem ich euch die gekürzten Kapitel von “Durch den Nimbus” gezeigt habe? Damals wusste ich am Anfang des Romans noch nicht genau, worauf die Geschichte hinauslaufen sollte. Ich hatte relativ wenig Ahnung von Spannungsbögen und dem ganzen theoretischen Kram, ich habe einfach drauflos geschrieben. Das Endergebnis war, dass ich 10% des gesamten Textes kürzen musste, ganze Kapitel wurden gelöscht und umgeschrieben (und würde ich es heute nochmal schreiben, würde der komplette Aufbau anders aussehen).
Nichts anders war bei diesem Exposé der Fall. Ich hatte zwar alle Infos, aber die eigentliche Story war noch nebulös. Deshalb habe den Plot mindestens fünfmal komplett umgeschrieben, nach drei Wochen Arbeit habe ich festgestellt, dass eigentlich noch ein ganzer Akt fehlt (ich arbeite normalerweise nach dem 4-Akt-Modell) – das gesamte letzte Viertel hat also einfach nicht existiert, weil ich dachte, das würd schon passen.
Nahezu jede einzelne Szene habe ich zwischenzeitlich umgeplant, viele davon mehrfach, etliche wurden ganz gelöscht und neu gemacht. Hätte ich mir also alle Gedanken, die in den Szenenplan geflossen sind, erst beim Schreiben und entsprechend diese Änderungen alle erst im eigentlichen Manuskript gemacht, wäre das keine Arbeit von zwei Wochen geworden. Ich hätte den gesamten Roman mehrmals schreiben müssen.
Stattdessen kann ich mich jetzt entspannt zurücklehnen, während Agentur und Verlag meine drei Seiten Exposé prüfen. Denn ich weiß: In meinem Szenenplan habe ich die Antwort auf jede Frage, die sie mir stellen können, bereits bedacht.