Auch wenn Mary Sues per Definition eigentlich nur in der Fanfiction vorkommen, finde ich, dass das Phänomen auf einige Bücher überzugreifen droht. Speziell in Fantasygeschichteln wird man mittlerweile von potentiellen Sues extrem bedrängt, aber noch einmal zurück zum Anfang.
Was ist eine Mary Sue? Ein oberflächlicher, viel zu perfekter Charakter, der dadurch einfach nur nervig wird. Ursprünglich waren damit Charaktere infiziert, in denen der Autor (hauptsächlich die Autorin) – wenn man diese respektable Bezeichnung so missbrauchen darf – sich selbst in einer perfektionierten Form in die Fangeschichte eingebaut hat, um damit Person X (das Objekt der Begierde aus der originalen Geschichte) zu bezirzen. Und das ist, wo der Hund begraben liegt.
Wie viele Frauen fröne auch ich gerne zwischendurch der literarischen Leichtkost von einem guten Schnulzenroman. Auch wenn ich mir früher immer geschworen habe, nie so etwas zu schreiben … Bevor jemand es betont, gebe ich es selbst zu: Herz des Winters fällt auch in diese Kategorie. Irgendwie. Ungewollt. Was soll’s.
Jedenfalls liegt das Kriterium in dem kleinen, aber wichtigen Wörtchen “gut”. Und hier hat man schon das Problem. Selbst wenn die Welt gut kreiert worden ist, die Story an sich interessant wäre und die Charaktere einigermaßen glaubhaft sind (damit hätten wir die Auswahl schon einmal gründlich eingeschränkt), gibt es zunehmend einen Punkt, der mich stört: Das Alter.
Warum in aller Welt sind alle Sues (gerade im Fantasy- oder Dystopiebereich) 17 Jahre alt? Hat die Zahl irgendetwas besonderes an sich? Alt genug für Intimitäten, aber gerade noch nicht volljährig und damit “erwachsen”? Ist das die eigentliche Zielgruppe? Meiner Erfahrung nach eigentlich nicht. Denken sich erwachsene Frauen so gerne in Teenager hinein? Kann ich mir auch nicht vorstellen. Darf man nur in jungen Jahren verliebt sein und die Welt verändern? Wer weiß.
Extrem auffallend ist die Problematik bei dem Massenhype “Shades of Grey” (wehe jemand lacht – man muss sich doch informieren, was die Konkurrenz so anbietet). Das Thema an sich ist ja eigentlich nicht gerade etwas, das ich mit erster Verliebtheit in Verbindung gebracht hätte. Gerade hier wäre das Zielpublikum meines Erachtens nach in einem reiferen Sektor anzusiedeln gewesen. Schlägt sich natürlich auch in den Charakteren nieder, immerhin ist Mary Sue deshalb schon satte 21 Jahre alt. Puh. Knapp an der Midlife-Crisis vorbeigeschlittert.
Wer kann so etwas ernst nehmen?
Ich als Leser würde mir mehr realistische Szenarien wünschen. Keine Kinder, die die Welt retten und dabei nebenbei noch ihren ersten Kuss erleben. Und wenn schon unbedingt diese Kombination sein muss, dann doch bitte einmal nicht ganz so perfekte Charaktere. Keine Mary Sues, die den Traummann angeln, weil sie in ihrer ach so tollpatschigen Art ja doch so unglaublich süß sind. So etwas zwischendurch zu lesen ist ja ganz nett, aber ein paar Alternativen wären einfach nicht schlecht.
Lobend hervorheben möchte ich deshalb die bisher einzige Kurzreihe, die mir in diesem Punkt positiv aufgefallen ist: Raven’s Shadow bzw. Raven’s Strike von Patricia Briggs. Briggs hat einige Reihen, die sehr schön die erwachsene Version von Mary Sue zeigen, was an sich schon ein großes Plus darstellt. Diese beiden Bände aber zeigen für mich, dass es auch gut ohne geht.
Sie zeigen übrigens auch sehr schön, dass Cover fast immer lügen.
Cheerio!