Wer sich dem Schreiben widmet, muss viele Hindernisse überwinden. Verdient man genug, um davon leben zu können? ist es wirklich das, was man sein Leben lang machen möchte? Wie Teil 1 und 2 dieser Blogreihe gezeigt haben, ist es ja alles andere als ein entspannter und sozialkontaktfreudiger Beruf. Nicht zuletzt sind es jedoch die Erwartungen, die man zu bekämpfen hat – die eigenen, und die der anderen.
Du wirst keine Kunst erschaffen
Wer etwas zu Ende geschrieben hat, darf mit gutem Recht stolz auf sich sein. Das Anfangen ist schwer, das Durchhalten bis zum Schluss noch viel mehr. Für jeden Autor ist sein Text etwas Besonderes. Man hat viele Stunden, Gedanken und Herzblut investiert, damit er diese Form bekommt. Also darf man auch feierlich das Wort “Ende” unter seinen Text setzen. Fertig ist man dadurch aber noch lange nicht.
Sätze wie “Ich habe soeben mein Werk fertiggestellt” sind nahezu ein K.-o.-Kriterium, wenn man Anschreiben an Verlage formuliert. Sie kennzeichnen, dass der Autor sein Manuskript als Kunstwerk ansieht, an dem nicht gerüttelt werden soll. Und das macht ihn für den Verlag und besonders den Lektor zu einem schwierigen Arbeitspartner. Niemand ist perfekt, und aus jedem noch so tollen Buch lässt sich mit einer guten Überarbeitung noch mehr herausholen. Wer aber glaubt, dass aus seiner Feder pures Gold fließt, und entsprechend um jeden Punkt und Beistrich kämpft, erschwert all den Leuten, die das Bestmögliche aus seinem Buch machen wollen, nur ihre Arbeit.
Damit nehme ich niemanden aus – ich erinnere mich noch gut an mein erstes Lektorat, bei dem ich ziemlich frustriert war, weil diese Kerle einfach jeden Satz umgedreht haben. Das war doch nicht mehr ich, die hatten ja einfach meinen Text nicht verstanden! Und ich gebe zu, dass dieser Protest immer noch gelegentlich durchkommt. Auch Lektoren sind eben nur Menschen, und manchmal irren sie sich tatsächlich. In den meisten Fällen ist es jedoch eher so, dass ich mich nach ein paar Mal drüber schlafen reumütig an den Text setze und all die Korrekturen nachziehe, die ich in der ersten Entrüstung als Unsinn abgestempelt hatte.
Insgesamt gesehen ist für mich das Schreiben weniger eine Kunst als ein Handwerk. Natürlich gibt es auch wahre Meisterkünstler in der Wortmalerei, aber auch sie haben zuerst einmal die nötigen Handgriffe dafür gelernt. Kunst entsteht, indem man Regeln bricht, und dazu muss man diese erst einmal kennen. Nicht umsonst gibt es Schreibratgeber zuhauf, die Lernwilligen vermitteln sollen, wie man aus einem guten Text einen sehr guten macht. Es ist das Werkzeug, dass man benötigt, erst für das grobe Herausarbeiten der Umrisse, dann für die Details und schließlich für den Feinschliff.
Das wichtigste Werkzeug ist jedoch die Erkenntnis, dass noch kein Meister vom Himmel gefallen ist. Wie in allen Bereichen des Lebens lernt man auch beim Schreiben nie aus, man wird besser mit jedem Fehler, den man macht (und aufgezeigt bekommt!). Wie Platon schon so schön sagte: Es ist keine Schande, nichts zu wissen. Wohl aber, nichts lernen zu wollen.
Du wirst deine Probleme niemandem begreiflich machen können
Das Schreiben ist für Nichtschreiber ein großes Mysterium. So wie es für mich unvorstellbar ist, wie Musiker aus dem Nichts heraus Melodien finden, erscheint auf den Gesichtern meiner Gesprächspartner regelmäßig ein einziges großes Fragezeichen, wenn ich von meiner Schreibarbeit erzählen will. Seltsamerweise hält sie das nicht davon ab, mit Tipps aufzuwarten, die man absolut nicht hören will.
Ganz oben auf dieser Liste stehen natürlich “Damit verdienst du ja kein Geld.” und “Willst du nicht lieber etwas anderes machen?” Wieso wird von jemandem, der schreibt, automatisch immer erwartet, dass dabei irgendwann Geld rausspringt? Für viele ist es einfach etwas, das sie gerne machen, für sich. Wer in seiner Freizeit gerne Fußball spielt oder ins Kino geht, wird auch nicht gefragt werden, weshalb er seine Zeit mit Dingen vergeudet, die sich nie “rentieren” werden.
Wer sich wirklich dafür entscheidet, den Berufsweg als Autor einzuschlagen, hat es sich meist gut überlegt. Schreiben ist eben nicht nur Arbeit – wer sich einmal mit dem Schreibvirus infiziert hat, wird ihn nicht mehr los. Einfach keine Ideen mehr bekommen? Die Ideen nicht mehr weiterverfolgen und einfach vergessen? Undenkbar. Ich erinnere mich noch, als ich die für mich schockierende Nachricht in der Zeitung gelesen habe, dass Stephen King seine Rente angekündigt hat. Zwei Bücher wollte er noch schreiben, dann sollte Schluss sein. Tja, das ist mittlerweile auch bald 15 Jahre her, über die zwei Bücher ist er längst hinaus und von Rente kein Wort mehr. Schreiben ist eben mehr als Arbeit. Es ist Abenteuer, Freude, Erfüllung … Berufung.
Besonders beliebt ist deshalb auch die Frage: “Kannst du nicht was G’scheites schreiben?” Der Anspruch, dass jeder Text, den man verfasst, hohe Kunst sein muss – sozialkritisch, eloquent, voller Raffinessen und überhaupt ein Ulysses im Miniformat – gerade das ist es, was viele angehende Autoren vom Schreiben abhält. Man soll schreiben, was einem Spaß macht, was einen bewegt, womit man sich wohlfühlt. Ob Schundroman, Splattergeschichte oder literarische Abhandlung. Was ist schon “etwas Gescheites”? Geschmäcker sind verschieden, und seien wir uns ehrlich: Im Vergleich lesen jedenfalls weit mehr Leute Schundromane als hochintellektuelle Ergüsse.
In eine ähnliche Schiene schlägt die Aufforderung: “Darüber solltest du schreiben!” Eine komische Wolke am Himmel? Menschen, die Kaffee trinken? Der Weltfrieden? Egal. “Darüber solltest du schreiben!” Ob als ernst gemeinter Ratschlag oder sarkastische Bemerkung, die die Schreibtätigkeit des angesprochenen Autors lächerlich machen soll – dieser Satz ist gänzlich unangebracht. Immer. In irgendeinem Blog (der leider beim besten Willen nicht mehr auffindbar war) habe ich ihn letztens unter den Top 7 Sätzen gelesen, die ein Autor nicht mehr hören kann. Warum? Einem Autor mangelt es selten an Ideen. Im Gegenteil, je länger man sich mit dem Schreiben befasst, desto aufdringlicher werden sie. Was fehlt, ist die Zeit, sie alle umzusetzen.
Und selbst wenn man gerade in einer planlosen Phase ist – willkürlich in den Raum geworfene “Ideen” (die meistens ebenso hilfreich sind wie die oben genannten) bringen wenig. Es sind nicht die Ideen des Autors. Schreibideen entstehen aus einem Funken, einem Gedanken, der den Autor interessiert, einer Frage, der er nachgehen will. Ja, diese Frage kann sich in einem Gespräch ergeben. Aber in einer lebhaften Diskussion, nicht in einem plumpen Satz, der keinerlei Inspiration hervorruft. Tut mir leid, da enttäuschen zu müssen.
P.S.: Ähnlich beliebt ist übrigens die Frage “Woher nimmst du deine Ideen”, die aus unerfindlichen Gründen in JEDEM Autoreninterview auftauchen. Was erwartet man auf so eine Frage? Den Hinweis auf den geheimen Stein der Weisen? So sehr die interviewten Schreiber auch herumdrucksen, die Antwort fällt immer gleich aus, weil sie einfach der Wahrheit entspricht: Man lebt, man bildet sich, man hält die Augen offen und man denkt nach. (Ebenso beliebt ist allerdings die Aussage: “Weiß ich nicht, sie kommen einfach.” Die dient wohl dazu, den Fragesteller büßen zu lassen.)
Kleines Fazit
Das war’s von mir zum Thema Berufsrisiken. Ich hoffe doch, dass ich euch damit nicht abgeschreckt habe. Einen Versuch ist das Schreiben immer wert. Es ist ein Hobby, das jeder ausprobieren darf. So wie sich auch jeder auf Schlittschuhe stellen darf, ohne dass er dabei gleich Pirouetten drehen muss. Viel zu oft höre ich “Ich würde ja auch gerne schreiben, aber ich bin ja nicht so gut …” Niemand stellt sich aufs Eis und fährt wie ein Profi. Man probiert es, fällt hin, steht wieder auf und probiert es noch einmal. Solange, wie es Spaß macht. Und wenn der Funke übergesprungen ist und das Schreiben zu einem Teil von euch geworden ist – dann wird euch kein Warnhinweis der Welt mehr davon abhalten können, es immer weiter zu versuchen.