Von Testlesern haben die meisten schon gehört, was es genau damit auf sich hat, scheint jedoch immer noch ein Mysterium zu sein. Braucht man so etwas denn wirklich? Machen das die Profis auch so? Die klauen mir doch sicher …
Die kurze Antwort: Ja, man braucht Testleser und auch die Profis machen es nicht anders. Testleser sind schließlich nicht dazu da, dem schüchternen Autor auf die Schulter zu klopfen und zu sagen “ist eh gut”. Davon hat niemand etwas, der Autor am allerwenigsten. Ehrliches Feedback ist eines der Hauptmerkmale eines guten Testers.
Die Aufgabe der Testleser ist es, Schwächen in einem Text aufzuspüren, die man als Autor nicht erkennt, weil man einfach zu sehr in die Materie verstrickt ist. Das können grammatikalische oder andere Fehler sein, derer sich der Autor nicht bewusst ist, doch das ist meistens erst am Ende der Endlos-Schleife der Korrekturen relevant. Häufiger sind es Szenen, die undeutlich beschrieben sind (dabei hatte man sie doch so bildhaft im Kopf!), Handlungen von Charakteren, die einfach jeder Logik entbehren (man hatte sich ja was gedacht dazu, aber irgendwie ist der Teil beim Schreiben auf der Strecke geblieben) oder Unstimmigkeiten, die in einem Buch einfach nichts zu suchen haben (etwa wenn der Charakter seine Waffe x-mal zieht, aber nie einsteckt – irgendwann müsste er doch umfallen mit all den Schwertern in der Hand …)
Genaues, aufmerksames Lesen ist also Kriterium Nummer zwei für den perfekten Testleser. Nummer drei dagegen ist einfach: Vertrauen. Ein Manuskript gibt man nur aus der Hand, wenn man sicher ist, dass damit kein Unfug angestellt wird. Viele verraten deshalb nicht einmal, in welche Richtung das nächste Projekt gehen soll (ich denke, mit “ich schreibe die zweiten Teile zu meinen Büchern” bin ich da auf der sicheren Seite, so überraschend kann das ja nicht kommen).
Auch ich habe meine Testleser, und gleich mehrere davon, mit denen ich im Moment im Mehrphasen-Modus arbeite:
Alpha-Tester
Diese drei fleißigen Bienchen (aller guten Dinge sind nun einmal drei) beginnen ihr Wirken noch während der Konzeptphase. Neue Ideen für Charaktere, Handlungsstränge und Twists werden ihnen zum Fraß vorgeworfen. Was nicht gut ankommt, muss überdacht werden, auf offene Fragen und logische Mängel kann gleich zu Beginn hingewiesen werden.
Weiter geht es während des Schreibens. Da meine Charaktere dazu neigen, sich ein wenig zu verselbständigen, muss oft das beste Konzept mittendrin umgeworfen werden, weil andere Dinge sich einfach besser ergeben. Die Apha-Tester bekommen daher regelmäßigen Ideen- und Text-Input. Sie lesen Szenen, hören sich an, wie es weitergehen soll und geben ihren Senf dazu. Diskussionen sind hier ausdrücklich erwünscht, denn so entstehen die besten Ideen, damit das Manuskript blüht und gedeiht. Danach geht es zur nächsten Phase.
Korrigieren
Jetzt, da das Manuskript in seinen Grundzügen von Beginn bis Ende steht, wird es zerlegt. Welche Fragen, die die Geschichte aufwirft, bleiben immer noch unbeantwortet? Was kommt zu wenig heraus, was wird übertrieben in die Länge gezogen? Hier wird gekürzt und umgestoppelt, neue Szenen werden eingefügt, und ganze Passagen umgeschrieben.
Danach noch einmal korrigiert. Und noch einmal. Und vielleicht auch noch einmal. Oder zweimal.
Dann ab damit zur nächsten Phase.
Beta-Tester
Da die Alpha-Tester mittlerweile auch schon so manuskriptverseucht sind, geht der Text jetzt zusätzlich an die Beta-Tester. Ist die Geschichte immer noch verständlich? Sind immer noch nicht alle Ungereimtheiten ausgemerzt? Hier beginnt außerdem zugleich auch die erste der letzten Korrekturphasen: Es geht ans Fehleraufspüren. Die werden zwar auch zwischendurch immer dezimiert, aber mit jeder Korrektur kann sich auch ein neuer kleiner Bösewicht einschleichen.
Korrigieren
Sind alle Test-Leser befriedigt, geht es noch einmal ans – tataaa – Korrigieren. Die Lieblingsbeschäftigung aller Autoren. Was wahrscheinlich daran liegt, dass man mit jedem Korrekturgang wieder den Drang verspürt, hier ein bisschen und da ein bisschen umzuschreiben … und dann natürlich noch einmal von vorne beginnen kann mit dem Fehlersuchen. Und dann, wenn man den Text schon nicht mehr sehen kann …
… schickt man ihn hinaus in die weite Welt. Bon voyage!