Lesungen sind eine wunderbare Methode, in persönlichen Kontakt mit den Lesern zu kommen, Bücher neuen Lesern vorzustellen und generell neue Leute kennenzulernen. Wäre da nicht das kleine Problem, dass die meisten Schreiberlinge nun einmal schreiben, weil sie sich damit nun einmal weitaus leichter tun als mit dem Reden.
Beim Vindragona war Wien Leseort für gleich mehrere großartige Fantasy-Autoren und bei all den Profis gibt es eine Menge, das man sich abschauen kann, um zu erreichen, was jeder Autor sich im besten Fall der Fälle von einer Lesung erhofft: Dass die Zuhörer gebannt bis zum Ende lauschen und danach euphorisch aufspringen, um sich mit dem vorgetragenen Lesestoff zu versorgen. Hier also ein paar Gedanken meinerseits zum Thema Lesungen:
Eine kleine Einführung
Wer seid ihr, und warum sitzt ihr da überhaupt? Mag leicht sein, dass sich das so mancher der Anwesenden bei eurem Anblick fragt. Das ist der Moment, in dem ihr euren Charme spielen lassen könnt. Erzählt ein bisschen über euch, euren Text – und über die Charaktere und die Situation, in der sie sich gerade befinden und an der ihr die Zuhörer in der Lesung teilhaben lassen werdet. Mit ein bisschen Hintergrundinformation fällt es Leuten, die zum ersten Mal mit euch oder eurem Text konfrontiert werden, gleich viel leichter, in die Geschichte hineinzufinden.
Richtige Stelle auswählen
Definitiv einer der wichtigsten Punkte, besonders, wenn nur ein Ausschnitt gelesen wird. Der Text sollte nicht nur spannend sein, sondern auch einen guten Überblick darüber geben, in welche Richtung das Buch geht – den Zuhörer gruseln, zum Lachen, Nachdenken oder Weinen bringen, je nachdem, in welche Kategorie der Text fällt. Dabei zählt weniger, ob ihr selbst die Stelle furchtbar toll findet – sie muss für sich allein und eigenständig funktionieren, denn mehr als diese Stelle kennt der Zuhörer nicht.
Wählt einen kurzweiligen Ausschnitt und findet ein passendes Ende. Damit muss nicht unbedingt das Ende der Szene oder des Kapitels gemeint sein, der Höhepunkt des Spannungsbogens kann weit wirkungsvoller sein, wenn es darum geht, den Zuhörer zum Weiterleser zu machen.
Erzählstil und -tempo
Nicht jeder kann mit einer Engelszunge gesegnet sein, die Zuhörer automatisch in den Bann zieht. Aber mit ein bisschen Übung kann man den Mangel an göttlichem Wirken mit einfachem Können ausgleichen: Langsam lesen. Die Nervosität treibt jeden dazu an, automatisch schneller zu werden, und das macht es für Zuhörer schwerer, dem Gesagten zu folgen. Gute Betonung und das richtige Tempo lassen sich durch häufiges Üben (am besten mit Testpublikum) einstudieren.
Den Charakteren eigene Stimmen zu verleihen, kann zwar durchaus erheiternd und verständniserleichternd sein – bis auf wenige Ausnahmen ist davon aber abzuraten. Zu oft hört man (vor allem bei Hörbüchern) einen erwachsenen Mann plötzlich als junges Mädchen oder erwachsene, zickige Frau sprechen, und das wirkt einfach nur verstörend. Michael Peinkofer im Dialog seiner tollpatschigen Orks zu hören, ist allerdings tatsächlich ein Erlebnis, und zwar der guten Sorte.
Zu guter Letzt
Zeit ist Geld, vor allem für den Veranstalter. Überziehen wird daher nicht gerne gesehen, besonders dann, wenn der nächste Autor bereits in den Startlöchern steht. Also plant den Text so ein, dass noch Zeit bleibt für die Dinge, die euch den Lesern näher bringen: eine Fragerunde, Feedback, Signieren und wonach den lieben Leuten sonst noch der Sinn steht.
Und vor allem: Habt Spaß, dann merkt man es euch auch an!