Kennt ihr das? Ihr seid fit und ausgeruht, satt aber nicht übervoll, die Temperatur ist angenehm und ihr habt stressfreie Stunden vor euch. Eigentlich wäre alles perfekt dazu geeignet, jetzt ein wenig produktiv zu werden. Eigentlich. Aber so sehr ihr euer Hirn verkrampft, es will nichts Kreatives ausspucken. Aber sobald ihr entmutigt die Zeit anders nutzt und abends erschöpft ins Bett plumpst, rattert es los. Und will gar nicht mehr aufhören damit!
Bisher dachte ich immer, die Ursache dieses kleinen Störenfrieds, der einen nachts nicht zur Ruhe kommen lässt, wäre die entspannte Phase, in der man sich vor dem Einschlafen befindet. Der Körper stellt die energiefressenden Funktionen ein, im Dunkeln allein gelassen mit seinen Gedanken fangen sie an, wild herumzuwirbeln und uns auf die Traumwelt einzustimmen … Aber nein.
Den wahren Grund musste ich herzlos von einer Spielkarte ablesen: der kreative Part unseres Gehirns arbeitet einfach besser, wenn wir uns in der Horizontalen befinden. Adé, schnöde Entspannungstheorie. Fortan werden Dialoge nur noch im Liegen erfochten!
Wer sich jedoch von der einmal gefundenen bequemen Couchposition nicht so leicht wieder verabschieden möchte, kann es natürlich auch mit den herkömmlichen Methoden versuchen – für mich persönlich funktioniert besonders gut, den Schreibtisch gegen einen netten Spaziergang einzutauschen (oder eine langweilige U-Bahn-Fahrt). Und natürlich das Um-die-Ecke-Denken.
Statt verbissen nach einer Handlung zu haschen, entstehen bei mir viele Geschichten und Szenen aus einem einfachen Bild heraus. Das muss letzten Endes nicht einmal eine große Rolle im fertigen Werk spielen, es genügt, wenn es den Stein im Kopf ins Rollen bringt. Von hier an kann man sich einfach mit Fragen zur eigentlichen Handlung hinhangeln.
Ein Beispiel:
Obwohl der Grundstein zu Herz des Winters vor vielen Jahren gelegt wurde, war die Geschichte lange Zeit in den Untiefen der Festplatten verschollen (und das auch aus gutem Grund). Den Anstoß, die Idee wieder auszugraben und neu aufzuarbeiten, gab mir ein einzelnes Bild. Auf einem winterlichen Spaziergang, querfeldein durch tiefen Schnee bei leichtem Tauwetter, tropfte Wasser von den Bäumen und hinterließ tiefe Löcher im Weiß. Das Bild von Blut, das wie Regen in den Schnee fällt, wollte danach unbedingt niedergeschrieben werden. Ich wusste nicht, wie, wieso, warum – aber es musste Blut regnen!
Leider muss ich auch zugeben, dass zu viel Lesen die kreativen Gedanken blockieren kann. Auch wenn ich ein Mensch bin, der bei jeder Gelegenheit ein Buch aus der Tasche fischt, muss ich es mir in Schreibphasen bewusst verbieten, die Busfahrt mit ein wenig Literatur zu verkürzen. Das Gehirn braucht Leerläufe, um sich mit dem Spinnen von Gedankenfäden beschäftigen zu können. Aber für fleißiges Schreiben gibt es dafür Belohnungslesen.
Zu guter Letzt: falls jemand nach dem Spiel der Spiele sucht, das so schlaue Antworten parat hat – es nennt sich Therapy und ist nicht nur lehrreich, sondern auch eine gute Methode, seinen Mitspielern ungestraft auf den Zahn zu fühlen.