Von der Kurzgeschichte zum Roman
Wie so viele begannen auch meine ersten Schreibversuche (von Kindheitserfahrungen abgesehen) mit dem ambitionierten Gedanken: Jetzt schreibe ich einen Roman. Dass das nicht ganz so einfach ist wie gedacht, hat sich dann ja bald herausgestellt.
Mittlerweile habe ich doch schon einige Übung darin, kurze und knackige Geschichten zu verfassen, die knappe Art und das rasche “zum Punkt kommen” liegt meiner Art zu schreiben und auch den Einfällen, die mir meistens kommen. Natürlich könnte man vieles davon aufbauschen ohne Ende und etwas Längeres daraus machen, aber wozu? Ich persönlich lese gerne Kurzgeschichten und finde, sie sind eine großartige (wenn auch belächelte) Literatursparte.
Nur manchmal lässt sich eine Idee beim besten Willen nicht auf ein paar Seiten ausleben, und je mehr man darüber nachdenkt, umso umfangreicher wird das Ganze.
So ging es mir nach langer Zeit des Kurzschreibens erstmals wieder mit Darwin’s Failure. Ursprünglich war es als eine Kurzgeschichte gedacht, ein Momentausschnitt des Lebens in dieser fiktiven Welt während der Wende von “Klone sind prima” zu “bist du kein Klon, bist du nicht lebenswert”.
Eine einzige Szene: Eine Zeitung wird aufgeschlagen und die Ankündigung gelesen, dass normal geborene nicht länger für Ausbildungen oder Unterstützungen zugelassen werden. Dazu die junge Frau, die gerade erst von ihrer normalen Schwangerschaft erfahren hat.
Und aus.
Nur war es dann eben doch nicht aus, so viel gab es noch, was da rundherum passieren wollte; so viel, was Einfluss auf die Reaktion und die Gedanken der Frau nehmen würde. Verfügte sie über finanzielle Mittel? War sie auf sich allein gestellt? Würde derjenige, der bei ihr war, sie in eine Richtung drängen?
Das und Vieles mehr wollte bedacht werden, aber um diesen Hintergrund zu erklären, der immer gigantischer wurde, hätte keine Kurzgeschichte mehr ausgereicht.
Entsprechend wurde das Projekt auf die lange Bank geschoben. Die ersten Romanversuche noch allzu deutlich im Kopf, war das ein Gebiet, das ich so schnell nicht wieder betreten wollte. Außerdem gab es da ja so viel, das erst recherchiert werden musste!
Aus dem Kopf ging die Geschichte mir aber auch nicht. Immer wieder wurden freiwillige und unfreiwillige Zuhörer mit Theorien, Thesen und Überlegungen gequält, die Notizen dazu wurden immer länger und ausführlicher und die Charaktere nahmen langsam Gestalt an. Und irgendwann folgte der Sprung ins kalte Wasser, mit einigen Vorbereitungen, aber offensichtlich nicht allen.
Was ist anders?
Zu allererst: Meine Kurzgeschichten entstehen meistens ohne Notizen, ein grobes Konzept wird im Kopf entworfen und los geht’s. In Ausnahmefällen werden Szenen im Voraus eingeteilt, gerade wenn viel in der Zeit herumgesprungen wird (ich liebe Rückblenden) oder eine gewisse Abfolge eingehalten werden muss (z.B. bei den vorgegebenen 2 Tagen und 3 Nächten in Verwandte der Seele). Der Rest passiert nach Gefühl und Eingebung. Das funktioniert bei kurzen und übersichtlichen Sachen recht gut, für den Roman war das aber ein Ding der Unmöglichkeit.
Aber meine Notizen hatte ich ja zum Glück bereits, daraus ließ sich der ungefähre Haupthandlungsablauf schon einmal konstruieren, der wurde grob in Kapitel eingeteilt und entsprechend meiner vorgenommenen Seitenanzahl mit einer geplanten Wortanzahl versehen. Soweit, so gut.
Irgendwann nach dem zehnten Charakter, der das Licht der Buchstabenwelt erblickt hat, kam dann eine Namensliste hinzu. Wenigstens nach Fraktion eingeteilt und nachträglich mit Männlein- und Weibleinzeichen versehen. Schön. Reicht aber nicht.
Für’s Überarbeiten gibt es mittlere eine Tabelle, mit einem Bildchen, den äußeren und inneren Eigenschaften und den wichtigen Geschehnissen zu jedem Charakter. Besser. Ob es reicht sehen wir bei Teil 2.
Das zweite Problem: Kurz und bündig gibt es nicht im Roman.
Etwas, das mir ziemliche Kopfzerbrechen und Frustanfälle beschert hat. Es widerstrebt mir, um den heißen Brei herum zu reden, aber andererseits kommen einem die Charaktere da entgegen: Gibt man ihnen mehr Raum und Zeit, dann brauchen sie plötzlich auch beides.
Ich verlege mich allerdings immer zu sehr auf die Menschen und lasse dabei die Umgebung unter den Tisch fallen. Was bei Kurzgeschichten gut funktioniert, schließlich sind es die Einzelschicksale, die bewegen. Worüber man nicht nachdenken will, braucht man schlicht und einfach nicht zu erwähnen. Augen zu und die Monster verschwinden. Im Roman rächt sich alles, das nicht ausführlich überlegt wurde. Spätestens beim Leser, und das ist etwas, was kein Autor möchte.
Das nächste Umdenken musste bei der Zeit stattfinden. Wo sonst monatelang gegrübelt und dann alles innerhalb von ein paar Tagen heruntergetippt wurde, war es jetzt plötzlich umgekehrt. Mindestens 2000 Wörter pro Tag, zack zack, und das über Monate hinweg, neben all dem beruflichen und sonstigem Chaos. Uff. Kein Wunder, dass Stephen King so viele Bücher gebraucht hat, um den Stress des Autorendaseins aufzuarbeiten.
Aber immerhin hat es viel Übung gebracht. Mittlerweile sitze ich mit Herz des Winters in der Endphase wieder täglich an der Tastatur und es geht nicht mehr so an die Nieren wie Darwin seinerzeit.
Zu guter letzt das Problem danach: Korrigieren.
Wer kein Lektorat besitzt (und sich keines leisten kann), packt eben selber an. Das heißt, Seite um Seite x-mal durchzugehen, auf Fehler, Stil, Inhalt und Ausbaufähigkeit zu prüfen – und das, ohne sich von “kenn ich schon” zu oberflächlichem Lesen verleiten zu lassen. Hier hilft (wie bei allen Geschichten), das Geschriebene eine Weile einstauben zu lassen und dann wieder anzugreifen. Dann wiederum besteht aber die Gefahr, nur seine Erinnerungen aufzufrischen und sich zu sehr auf den Inhalt zu stürzen, wo man doch eigentlich den Satzbau analysieren sollte…
Und da wären wir auch schon beim Stand der Dinge.
Ich denke, mein Gebiet sind und bleiben Kurzgeschichten, aber für längere Geschichten bin ich jetzt immerhin besser gerüstet und der Nachfolger bzw. die Fortsetzung von Darwin wird hoffentlich dann schon routinierter und geplanter entstehen.